Die Naturwissenschaften gehören zu den acht Schlüsselkompetenzen, die im EU Rahmenprogramm für Schlüsselkompetenzen (EC 2007) benannt wurden. Trotzdem bleiben 17% der 15-jährigen hinter ihren Möglichkeiten in Naturwissenschaften zurück. In Mathematik trifft dies sogar auf 22% zu. Bei Schüler*innen aus einem bildungsfernen Umfeld sind es sogar 36,6% (ET 2020). Darüber hinaus zeigen nur wenige Schüler*innen Interesse an Berufen im MINT-Bereich.
Eine Herausforderung ist in diesem Zusammenhang die gängige Praxis, im Unterricht den Fokus auf das „Lernen der Naturwissenschaften“ ohne ein „Lernen über Naturwissenschaften“ zu setzen (Hazelkorn u.a. 2015). Dies führt zu einer isolierten Naturwissenschaft, losgelöst von gesellschaftlichen Folgen.
Veränderungen in der Gesellschaft, die wachsende Zahl an Migranten sowie Veränderungen in den Bedürfnissen der Schüler*innen und die zunehmende Technologisierung führen zur Notwendigkeit einer MINT-Bildung, bei der alle Schüler*innen unabhängig von ihrem Können und ihrem sozialen Hintergrund ihr Potenzial voll ausschöpfen können.
Ziel unserer Bildung muss es also sein, unsere Schüler*innen zu mündigen Bürger*innen zu erziehen, die aktiv an unserer Gesellschaft teilnehmen. Durch Anwendungen und Forschendes Lernen in den MINT-Fächern kann das Interesse an ihnen und damit auch die Leistung der Schüler*innen gesteigert werden. Durch Anwendungen werden die Inhalte darüber hinaus konkreter. Darüber hinaus gehört zu einem Leben als mündiger Bürger*innen auch, zu verstehen, wie Entscheidungen basierend auf Mathematik und den Naturwissenschaften getroffen werden und sie kritisch zu reflektieren. Um dies zu können, benötigen die Schüler*innen ein vollständiges Bild von Mathematik und den Naturwissenschaften, das deren soziale, kulturelle, moralische und ethische Komponenten umfasst (wie sie etwa in die Frage, ob eine Impfung gegen Masern verpflichtend sein sollte, einfließen). Daher sollte der mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht auch dazu genutzt werden um kulturelles Bewusstsein, kritisches Denken, das Entwickeln von Strategien zur Entscheidungsfindung und soziale sowie gesellschaftliche Kompetenzen zu fördern.
Im Gegensatz zum „Lernen der Naturwissenschaften“ sollte der Fokus also auf „Lernen der und über Naturwissenschaften“ gesetzt werden. Letzteres fördert sowohl das Verständnis junger Menschen von der Natur von Mathematik und Naturwissenschaften, als auch von der Anwendung dieser Fächer und den resultierenden Konsequenzen. Auf diese Weise lernen die Schüler*nnen wesentliche Prinzipien und Kompetenzen einer demokratischen, vielfältigen und vermehrt multikulturellen europäischen Gesellschaft kennen. In diesem Sinn bedeutet mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung auch die Ausbildung zu mündigen Bürgern.