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Kurz berichtet

Warum Berufsbezüge im MINT-Unterricht wichtig sind

By Februar 2021März 4th, 2021No Comments

WORK@STEM bietet Einsichten in die praktische Umsetzung

Katja Maaß

Berufsbezüge im MINT-Unterricht?

Wieso denn das? Gibt es dazu nicht die Berufsberatung und Berufspraktika während der Schulzeit? Natürlich erfüllen Berufspraktika und Berufsberatung eine wichtige Funktion und die soll hier nicht in Abrede gestellt werden. Hier geht es vielmehr darum, zu überlegen, warum es darüber hinaus wichtig und sinnvoll ist, konkrete Berufsbezüge gerade im MINT-Unterricht herzustellen.

Ein erster wichtiger Grund dafür ist, dass es gerade im Bereich der MINT-Berufe einen enormen Fachkräftemangel gibt, der sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird. Schon jetzt beklagen Unternehmen und Fachverbände, dass es sehr schwer ist, solche Stellen zu besetzen (vgl. z.B. STEM Alliance 2017). Woran liegt das? Es gibt mehrere Ursachen dafür. Erstens sind viele Berufe im MINT-Bereich Jugendlichen schlicht nicht bekannt. Wer kennt schon die Berufe Mechatroniker*innen, Fachinformatiker*innen Fachrichtung Systemintegration und Produkttechniker*innen? Vorherrschend ist vielmehr die Ansicht, dass nur Forscher*innen und Ärzt*innen MINT-Fächern benötigen (Archer et al. 2013). Zweitens ist es sehr schwer, Mädchen für solche Berufe zu begeistern. Insbesondere ordnen Mädchen MINT-Berufe häufig als männerspezifisch ein oder ihnen fehlt das nötige Selbstvertrauen im Umgang mit MINT-Fächern (vgl. z.B. Budde 2009 und Jahnke-Klein 2001).

Ein zweiter Grund dafür, konkrete Berufsbezüge im MINT-Unterricht herzustellen, ist, dass viele Schüler*innen die Relevanz dieser Fächer und insbesondere die Relevanz von Mathematik für unsere Gesellschaft nicht kennen (Maass 2004). Und so kommt es, dass Lehrer*innen die Frage „Braucht man Mathematik (oder Physik…) im Leben überhaupt?“ in der Sekundarstufe sehr oft hören. Im krassen Gegensatz dazu steht, dass in unserer Gesellschaft die Relevanz von Kenntnissen im MINT-Bereich durch die Digitalisierung und Technisierung steigt. Freilich wird diese Relevanz nicht für alle Bürger*innen und Schüler*innen gleichermaßen sichtbar, weil das MINT-Knowhow in Technologie und Geräten „versteckt“ sind. Man spricht hier von dem sogenannten Relevanzparadoxon (Niss 1992).

Foto: Jens P. Raak auf Pixabay

Konkrete Bezüge zu vielfältigen MINT-Berufen schaffen

Was kann man nun tun, um mehr junge Leute für die MINT-Fächer und Berufen in diesen Bereichen zu begeistern? Ein Weg dazu ist, konkrete Bezüge zu MINT-Berufen in den alltäglichen MINT-Unterricht zu integrieren. Wie kann das aussehen?

Wir denken hier weniger daran, einfach nur einen Beruf vorzustellen, obwohl das natürlich wichtig ist. Vielmehr geht es darum, konkrete Fragestellungen aus den verschiedenen Berufen, die mit MINT-Kenntnissen zu beantworten sind, in den Unterricht zu holen und somit berufliche Fragestellungen als Kontexte für unterrichtliche MINT-Untersuchungen auszuwählen. Dies kann zum Beispiel so aussehen:

Computertomograph. Foto: Roman Paroubek auf Pixabay

Beispiel 1: Wie kann man durch Strahlentherapie Krebstumore behandeln?

Ionisierte Strahlung kann in hinreichend hoher Dosis menschliches Gewebe zerstören und Tumorzellen sind aufgrund ihrer schlechten Reparaturfähigkeit besonders davon betroffen. Dieser Effekt wird eingesetzt, um Krebstumore gezielt durch Strahlung zu zerstören, ohne das umliegende gesunde Gewebe zu stark in Mitleidenschaft zu ziehen. In diesem Zusammenhang kann besprochen werden, warum bei der Bestrahlung von Tumoren immer häufiger Ionen statt Photonen zum Einsatz kommen und warum eine exakte Positionierung des Patienten so entscheidend ist. Weitere Themen wie der Aufbau von Atomen und Ionen, Beschleuniger und Strahlführung, Medizintechnik mit Bildgebungsverfahren (CT) und Energieplatzierung können mit einbezogen werden. Berufe, die hiermit in Verbindung stehen sind Ärzt*innen, Medizinisch-technische Radiologie-Assistent*innen, Physiker*innen, Medizintechniker*innen, (Fach)-Informatiker*innen.

Beispiel 2: Wie kann man Besucher*innenströme in einem Museum überwachen, um die Attraktivität der Exponate zu beurteilen?

Sensoren, die auf der Höhe der Unterschenkel im Raum angebracht werden, können diese Ströme messen. Beruflich sind wir hier im Bereich der Elektroniker*innen und (Fach-) Informatiker*innen, aber auch der Mathematiker*innen, denn die Grundlagen zur Herstellung der Geräte sind mathematischer Natur. Man betrachtet Koordinatensysteme im Raum und muss sich fragen: Was wird durch die Sensoren genau gemessen und wie entstehen damit die Punkte im Koordinatenkreuz?

Berufsbezüge für die jüngeren Jahrgänge

Aufgabenstellungen dieser Art sind natürlich auch in einfacherer Form in unteren Jahrgangsstufen einsetzbar: Ein Architekt erhält den Auftrag, in einem Gebäude mit bestimmten Abmessungen ein Parkdeck zu planen. Wie viele Stellplätze gibt es unter den gegebenen Rahmenbedingungen (Zufahrt, Parkplätze für Menschen mit Behinderungen, Wendemöglichkeiten etc.)? Eine ideale Möglichkeit, um geometrische Inhalte aus der Mittelstufe anzuwenden.

Zugeben, derartige Aufgaben gehören nicht unbedingt zum Standardlehrplan, aber immer mal wieder eingesetzt leisten sie damit mehr als manche Standardaufgabe: Sie beantworten für Schüler*innen die Sinnfrage von MINT-Fächern und steigern damit das Interesse und das Engagement für diese Fächer. Und das ist es allemal wert …

Parkdeck. Foto:Peter H auf Pixabay

Wie die Umsetzung erfolgen kann, zeigt Work@STEM

MINT-Bezüge im Unterricht zu fordern, ist das eine. Wie Lehrer*innen darauf vorbereitet werden, solche Bezüge im Unterricht herzustellen, ist die andere Frage. Und genau hier setzt das Projekt Work@STEM an, das von der Vector Stiftung gefördert wird an. ICSE entwickelt, pilotiert und evaluiert ein Seminarkonzept für zukünftige MINT-Lehrer*innen, dass in ihre Ausbildung integriert werden soll. Besonderer Schwerpunkt liegt hierbei darin, diese Seminarausbildung mit Firmenbesuchen sowie Schulbesuchen zu verbinden und damit Einblicke in die MINT-Berufspraxis und die Umsetzung in der Schule zu bieten. Das Seminar wird im Wintersemester 2020/2021 zum ersten Mal an der Pädagogischen Hochschule Freiburg angeboten. Haben Sie Interesse an zukünftigen Veranstaltungen zu diesem Theman? Dann schreiben Sie uns gerne unter icse@ph-freiburg.de.

Literaturhinweise

Archer, L., Osborne, J., DeWitt, J.,Dillon. J. Wong, B.  & Willis, B. (2013). Aspires – Young people’s science and career aspirations, age 10 –14. King’s college, Department of education and professional studies.

Budde, J. (2009). Mathematikunterricht und Geschlecht – Empirische Ergebnisse und pädagogische Ansätze. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Referat Bildungsforschung.

Jahnke-Klein, S. (2001). Sinnstiftender Mathematikunterricht für Mädchen und Jungen. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren (Reihe Grundlagen der Schulpädagogik; Bd. 39; 280 Seiten).

Maaß, K. (2004) Mathematisches Modellieren im Unterricht – Ergebnisse einer empirischen Studie. Hildesheim, Berlin: Franzbecker.

Niss, M. (1992). Applications and modelling in school mathematics–Directions for future developement. Roskilde: IMFUFA Roskilde Universitetscenter.

STEM Alliance (2017). STEM Education Fact sheets Available through http://www.stemalliance.eu/publications.